Die ersten Modelle P75/P220 9mm mit unten liegendem Mag-Hebel sind mit Sicherheit noch nicht als ausgereift zu betrachten.
Sinnig finde ich die P220-1 insbesondere in .45. Da passt die Größe zum Kaliber, ne 1911er kommt mir sogar noch etwas größer (länger) vor, dafür allerdings schmaler. Zu ihrer "Hochzeit" war die Kombi von DA-Abzug, seitl Mag-Hebel, .45ACP (7/8 Patronen) und Entspannhebel schon gehobener Standard für eine Pistole, die mitgeführt werden sollte (z.B. als Jäger).
Was danach bei den Gebrauchspistolen kam, war doch meistens Erweiterung der Kapazität (muss jeder selbst wissen wie viele Bohnen "genug" sind) und eine Entfeinerung (Plastik) des verwendeten Materials (Kosten sparen). Einzig die Sicherheit ist durch die striker-fired-Schlosse in meiner Wahrnehmung noch mal deutlich angehoben worden.
Entstehung der SIG P 75
Die nachstehenden Ausführungen stammen grösstenteils aus den Aufzeichnungen eines mit mir befreundeten Sammlers von SIG P75-Pistolen sowie von Aussagen des Entwicklers Hanspeter Sigg, welcher u.a. jahrelang Mitglied in «meinem» Schützenverein war (die weiteren Entwickler der P 75 waren Walter Ludwig und Eduard Brodbeck).
Ab dem Jahr 1958 dachte die schweizerische Militärverwaltung über die Weiterentwicklung der „9 mm-Pistole Modell 1949 (P75), zivil SIG P210, nach. Eine erste Versuchspistole des Nachfolger-Modelles lag allerdings erst 1966 vor. Der Prototyp hatte zwar eine neuartige Laufverriegelung; äusserlich war er indessen der SIG P 210 sehr ähnlich. Bei dieser Versuchswaffe wurde der Schlitten in der Mitte ausgefräst und ein Pressblechstück eingesetzt. Lauf und Verschluss verriegelten weiterhin auf kurzem Weg. Die Verriegelung des Laufes fand aber direkt in der Auswurföffnung des Schlittens statt.
Der zweite, weißfertige Prototyp besass neben der neuen Verriegelung ein Verschlussstück aus Blech; dieser Blechschlitten sollte die Herstellungskosten minimieren. 1966 kamen drei Exemplare mit einem Schlitten aus gestanztem Stahlblech mit gelöteten Einsätzen hinzu. 1966/67 wurde eine Versuchspistole mit verkürztem Blechschlitten hergestellt. Alle diese Pistolen waren für das Kaliber 9 mm Para eingerichtet. Bei den folgenden Weiterentwicklungen wurde die besondere Art der Verriegelung übernommen. Die neue Pistole im Kaliber 9 mm Para besass nun ein Griffstück aus Leichtmetall sowie einen angenieteten Abzugsbügel aus Stahlblech. Das Leichtmetallgriffstück reduzierte das Waffengewicht auf 845 g und die Gesamtlänge betrug 218 mm. Der Schlitten wurde nun aus gepresstem Stahlblech gefertigt. Zusätzlich erhielt die Waffe einen Spannabzug. Die Selbstladepistole konnte durch den Entspann-Hebel vor der linken Holzgriffschale entspannt werden. Die Waffe war mit einem einreihigen, zehnschüssigen Magazin und einer Magazinsicherung ausgestattet. Der Zerlege-Hebel befand sich auf der linken Seite.
Von der nächsten Versuchspistole wurden ab 1969 35 Exemplare hergestellt. Die Waffe sah dem heutigen Modell P 220 schon sehr ähnlich. Diese Versuchspistolen waren nicht nur auf die Ordonnanzpatrone 9 mm Para ausgerichtet, sondern auch für Wechselläufe im ehemaligen Schweizer Dienstkaliber 7,65 mm Parabellum oder im Sportkaliber .38 Special für Wadcutter-Geschosse gedacht. Der Verschluss wurde durch einen Kipplauf mit Schrägflächen entlang einer Steuerkulisse möglich gemacht. Diese Waffen waren mit 860 g im ungeladenen Zustand etwas schwerer, die Gesamtlänge wurde auf 212 mm und die Lauflänge auf 120 mm verkleinert. Auch die Kapazität des Magazins verringerte sich auf neun Schuss.
Im Griffstück waren Entriegelungsflächen aus Stahl eingesetzt und in den Schlitten die entsprechenden Stahleinsätze gelötet. Die Ver- und Entriegelung der neuen Pistole erfolgt ausschliesslich auf Stahlteilen. Auch der Entspannhebel, welcher für das Absenken des Hahns in die Sicherungsrast sorgt, entspricht der heutigen Form.
Neu waren die Griffschalen aus Kunststoff und mit Fischhaut. Der Schlitten und das Griffstück wurden sandgestrahlt. Diese Versuchspistolen erhielten die Bezeichnung „P220/Basis 9". Zusätzlich wurde ein Wechselsystem im Kaliber .22 LR konstruiert.
Nach Vorlage dieser Prototypen prüfte SIG Ende der 1960er-Jahre die Absatzchancen dieser Waffe auf verschiedenen Märkten. In Europa waren Militär und Polizei mit der Patrone 9 mm Para zufrieden. In den USA war aber ein grösseres Kaliber gefragt. Dieser Kundenkreis wollte eine Pistole im Kaliber .45 ACP. Daher vergrößerte man bei der SIG P220/Basis 9 den Schlitten und verbreiterte das Griffstück - somit auch das Magazin und den Laderaum - mit verstärktem Material, sodass die Patrone .45 ACP verwendet werden konnte. Die Gesamtlänge der Pistole wurde auf 198 mm und die Lauflänge auf 112 mm verkleinert. Die Konturen des Schlittens waren gegenüber den ersten Prototypen abgerundet. Die Montage der Stahleinsätze im Griffstück und Schlitten mit Spannstiften wurde aus Produktionsgründen vereinfacht.
Im November 1970 führte SIG zusammen mit der „Gruppe für Rüstungsdienste" (GRD), Versuche mit zwei Pistolen P220/Basis 45 durch. Bei diesen Dauerbeschusstests wurden 10’000 Patronen im Kaliber 9 mm Para verschossen; die Ergebnisse dieser Versuche waren ausgezeichnet.
Im August 1975 wurden 25 weitere Pistolen an die GRD gesandt. Das Ergebnis dieser Versuche war positiv und die neue Dienstpistole wurde noch im selben Jahr bei der schweizerischen Armee eingeführt. Die P220 erhielt nun die offizielle Bezeichnung „9 mm Pistole 75".
Anmerkung zur Magazinverriegelung: Hanspeter Sigg (er war einer der drei Designer der P 75) hat mir gegenüber auf Rückfrage einmal erwähnt, dass der an der Ferse montierte Magazin-Entriegelungshebel an der Rückseite des Magazinschachts und einer Lanyard-Schlaufe aus Kostengründen ähnlich der SIG P 49 übernommen wurde, wie sie damals für polizeiliche und militärische Zwecke hergestellten Pistolen üblich waren (Neuere SIG P220 verwenden bekanntlich eine Druckknopf-Magazinfreigabe auf der linken Seite des Griffs hinter dem Abzug und haben keine Lanyard-Schlaufen).